5G ermöglicht eine neue Generation cloudnativer Anwendungen, die hohe Ansprüche an das Computing und die Latenzzeit stellen. Im ersten Teil der Beitragsreihe über die Edge-Cloud beschreiben wir, wie der Umstieg auf eine Edge-Cloud-Architektur eine ganze Reihe neuer umsatzgenerierender Anwendungen für Serviceprovider hervorbringen kann.

Für die verschiedenen Akteure im Cloud-Umfeld stellt sich nun die Frage, an welcher Stelle des Netzes der Umstieg auf die Edge-Cloud erfolgen wird.

In der Branche wird bei der Definition des Edge-Standorts häufig versucht, auf unterschiedliche Kategorien zurückzugreifen. In Wirklichkeit befindet sich der Edge je nach erwarteter QoE und den Anforderungen bzw. der Verfügbarkeit der Ressourcen für die einzelnen Anwendungen jedoch an unterschiedlichen Orten. So variiert der Standort der Edge-Cloud beispielsweise in Abhängigkeit von der Perspektive als Endbenutzer (Mensch oder Maschine), Netzbetreiber oder Anwendungsanbieter.  Die Frage nach dem Inhaber der Edge-Cloud-Infrastruktur spielt bei der Frage nach dem Standort im Netz allerdings keine Rolle.

Bei der Betrachtung muss beachtet werden, dass die Grenzen des genauen Edge-Standorts fließend sind. Die Anwendungen am Edge des Netzes können entweder statisch oder dynamisch sein. Eine mögliche Betrachtungsweise ist in Abbildung 1 dargestellt. Hier steht jedes des kleinen Quadrate für eine Computing-Ressource, die eine Anwendung, einen Microservice oder eine Netzwerkfunktion zur Unterstützung eines Endbenutzer (Unternehmen oder Verbraucher, Mensch oder Maschine) umfassen kann. Eine Benutzeranwendung kann während ihres Lebenszyklus auf die Computing-Ressourcen an mehreren miteinander verbundenen Edge-Cloud-Standorten zugreifen und diese nutzen.

Unterschiedliche Benutzer können je nach Art der Anwendung und der Verfügbarkeit der Cloud-Ressourcen, die für die Erfüllung der QoE-Anforderungen für die Dauer der Anwendungssitzung erforderlich sind, an den Far-Edge-, Metro-Edge- und/oder Global-Core-Standorten auf Cloud-Ressourcen zugreifen. Aufgrund der Dynamik, mit der sich Anwendungen über die verschiedenen Edge-Cloud-Standorte hinweg bewegen, werden zur Unterstützung der Edge-Cloud neue Anforderungen an das Networking gestellt.

 

Edge-Cloud-Animation

Abbildung 1:  Dynamischer Charakter von Anwendungen, die durch die Edge-Cloud möglich werden

 

Auch wenn die genaue Definition des Edge nicht wirklich greifbar ist, gelten in der Branche gemeinhin die in Abbildung 2 dargestellten folgenden Gruppen von Standorten, an denen eine Anwendung physisch vorgehalten werden kann.

    1.) Metro-Edge: Eine Mischung aus großen Multi-Tenant-Rechenzentren (Internet Content Providers [ICPs] und Data Center Operators [DCOs]) und den zu Rechenzentren umfunktionierten Hub-Vermittlungsstellen von Communications Service Providern (CSPs) im Regional-/Metrobereich für die Versorgung nahegelegener Märkte. Diese Standorten sind in der Regel für eine große Zahl von Benutzern zuständig und konzentrieren sich auf weit verbreitete Services ohne Inhalte oder Anwendungen, die eine besonders niedrige Latenzzeit oder hohe Bandbreite benötigen. Ein Contentprovider wie Netflix könnte diese Standorte beispielsweise für das Cashing häufig abgerufener Inhalte nutzen.

    2.) Far-Edge: Eine Mischung aus CSP-Vermittlungsstellen, Headend-Standorten von Cable Multi-Service Operators (MSOs) und mobilen 5G Distributed Unit (DU)-Standorten in größerer Nähe zu den Endbenutzern. Dies sind die Standorte, an denen Cloud-Ressourcen für die Ausführung von Anwendungen mit extrem niedrigen Latenzzeiten und umfassenden Inhalten, beispielsweise aus den Bereichen Cloud-Gaming, kassenlose Geschäfte und IoT-Fertigung, vorgehalten werden könnten. Aus diesen Standorten in „Premiumlage“ können und sollten die CSPs/MSOs maximal Kapital schlagen.

    3.) User/On-Premises-Edge: Eine Mischung aus großen und kleinen Unternehmensstandorten, darunter auch die Rechenzentren von Unternehmen und Zweigstellen. Eine Ausweitung auf Verkehrsknotenpunkte sowie Bergbau- und Fertigungsstätten ist möglich. An diesen Standorten kann die uCPE- oder Virtualized-Edge-Infrastruktur vorgehalten werden.

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    Abbildung 2: Edge-Standorte

     

    Durch die neue Edge-Cloud verschwimmen die Grenzen zwischen den Standorten und unterschiedliche Akteure gehen Partnerschaften miteinander ein, um innerhalb der Cloud Ressourcen bereitzustellen, die sich über mehrere Clouds, Serviceprovider oder von ICPs oder den Endkunden selbst entwickelte Lösungen erstrecken.

    Aktuell gibt es weltweit ca. 10.000 Rechenzentren. Laut Prognosen (siehe Abbildung 3) wird es durch die Verschiebung hin zur Edge-Cloud innerhalb der nächsten fünf Jahre bis zu fünfmal mehr neue Rechenzentren in den Bereichen Metro/Far-Edge sowie User/On-Premises-Edge geben.1

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    Abbildung 3: Vorhandene Edge-Rechenzentren weltweit (2019 bis 2025)

     

    CSPs/MSOs nehmen derzeit bei der Bereitstellung von Konnektivität und Infrastruktur für Endbenutzer, seien es nun Unternehmen oder Verbraucher, eine vorherrschende Stellung ein und haben zu diesem Zweck in den vergangenen Jahren Tausende Vermittlungsstellen und Headends errichtet. Man könnte sagen, dass es sich bei diesen Standorten, um die wertvollsten „Premiumlagen“ der Edge-Cloud und gleichzeitig auch um die am schnellsten wachsende der oben dargestellten Far-Edge-Kategorien handelt.  CSPs/MSOs beginnen ihren Umstieg auf die Edge-Cloud mit der Virtualisierung ihrer internen Netze für Anwendungen wie virtuelles 5G-RAN (vRAN), um 5G-Benutzern Anwendungen mit niedriger Latenzzeit zu bieten.

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    1 Quelle: Mobile Experts, „Edge Computing 2020“, Oktober 2020