Bandbreite. Digitales Gold. Lebenselixier des Internets. Hauptader der internationalen Konnektivität. Selfie-Verteilersystem.

Dies ist die Grundlage der Network Slicing-Technologie – die Anpassung von mobiler Konnektivität an den jeweiligen Anwendungsfall.

Was ist eigentlich Network Slicing?

Aus technischer Sicht macht Slicing es möglich, dass Mobilfunknetzbetreiber (Mobile Network Operators, MNOs) mehrere virtuelle Netze über eine gemeinsame physische Netzinfrastruktur verwalten und betreiben können. Es ermöglicht die virtuelle Partitionierung des Funkzugangsnetzes (Radio Access Network, RAN), der Kernnetzkomponenten des Evolved Packet Core (EPC) sowie des Switching- und Aggregationsnetzes bis hin zu den Rechenzentren, in denen die Inhalte und Anwendungen gehostet werden.

Eine Engine für die End-to-End-Serviceorchestrierung „schneidet“ virtuelle (logische) Netze aus physischen Netzressourcen heraus, um mobile NaaS-Ressourcen (Network-as-a-Service) an spezifische Anwendungsfälle anzupassen. Die Ausschnitte (englisch: Slices) werden anhand von bestimmten Anwendungsfällen definiert, welche die erforderliche Netzleistung im Hinblick auf u. a. Kapazität, Latenz, Sicherheit, Dauer, Zuverlässigkeit und geografische Abdeckung vorgeben.

Mehr Anwendungsfälle, mehr Umsatzquellen

5G verspricht die Unterstützung einer Vielzahl unterschiedlichster Anwendungsfälle, von denen viele voraussichtlich den recht teuren Ausbau dieses Mobilnetzes der nächsten Generation rechtfertigen und finanzieren werden. Dies hat zu einer Reihe von aggressiven Leistungszielen für 5G geführt. Diese wurden in einem früheren Blogbeitrag behandelt und sind auch weiter unten aufgeführt.

  • Verbindungsraten für mobile Geräte von bis zu 10 Gbit/s
  • Ein bis zu 1000-faches Wachstum der Bandbreite pro Bereich
  • Bis zu 100-mal mehr angeschlossene Geräte
  • Eine wahrgenommene Netzverfügbarkeit von 99,999 %
  • Eine wahrgenommene Netzabdeckung von 100 %
  • Eine maximale End-to-End-Roundtrip-Verzögerung (Latenzzeit) von 1 ms
  • Ein bis zu 90 % geringerer Energieverbrauch der Netze

Das erste der angestrebten Ziele – 10 Gbit/s für mobile Benutzer – findet in den Medien am meisten Beachtung, was wohl daran liegt, dass wir alle direkt davon profitieren würden. Die anderen Leistungsziele sind jedoch ebenso wichtig für viele der neuen Anwendungsfälle, von denen man erwartet, dass sie die 5G-Einführung vorantreiben. Die folgenden Anwendungsfälle werden häufig als Grund dafür genannt, warum 5G-Mobilnetze erforderlich sind und umgekehrt.

  • Private festnetzbasierte Breitband-Internetanschlüsse
  • Autonome selbstfahrende Autos
  • Verbesserung der Mobilität (z. B. Hochgeschwindigkeitszüge)
  • Rundfunkkommunikationsdienste (z. B. mobiles Fernsehen)
  • Maximale-Echtzeitkommunikation (z. B. Tactile Internet, erweiterte Realität, virtuelle Realität)
  • Kritische lebenswichtige Dienstleistungen (z. B. Ersthelferdienste)
  • Ultrazuverlässige Kommunikation (z. B. eHealth-Fernüberwachung)
  • Massive Zunahme des Internet of Things (z. B. das Internet der Kühe (ja, das gibt es wirklich)

Herausforderungen beim Marketing von 5G-Anwendungsfällen

Die Migration von Services, die derzeit ihre eigenen eigenständigen kabellosen Netze verwenden, trägt zusammen mit der Entwicklung neuer Services, welche die Leistung des 5G-Mobilfunknetzes nutzen, zum Business Case für die erheblichen Investitionen bei, die MNOs für die Bereitstellung der erforderlichen neuen 5G-Technologie tätigen müssen. Benutzer zur Nutzung neuer Services zu bewegen, die von vorhandenen 3G/4G-Mobilfunknetzen nicht bereitgestellt werden können, wird sich u. U. als sehr viel einfacher erweisen, als Benutzer dedizierter Drahtlosnetze von einem Wechsel zu 5G-Netzen zu überzeugen. Sie verwenden nämlich aus gutem Grund ein eigenes dediziertes Netz, in dem Steuerung, Anpassung, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit, Erfahrung und andere Attribute für ihren jeweiligen Anwendungsfall optimiert sind. Diese Anforderungen können mit vorhandenen Mobilfunknetzdiensten nach dem Best-Effort-Prinzip nur schwer oder u. U. gar nicht erfüllt werden.

Dies gilt beispielsweise für Ersthelfer, denen wir vertrauen, dass sie bei Katastrophenfällen wie Bränden, Erdbeben, Tornados, Hurrikanen und (leider) immer häufiger auch Anschlägen Leben retten. Diese mutigen Menschen nutzen häufig Kommunikationsdienste, die über ein dediziertes Funknetz bereitgestellt werden und eine Koordination von Maßnahmen ermöglichen, um die bestmögliche Hilfe zu leisten. Diese Benutzer dazu zu bewegen, ihre gewohnten und bewährten Funknetze aufzugeben, die jahrzehntelang ihren individuellen Anforderungen angepasst wurden, wird mit Sicherheit eine schwierige Aufgabe für MNOs. Die Kosteneinsparungen an sich werden diese Benutzer nicht so einfach von einer Migration weg von ihren dedizierten Funknetzen zu einem Mobilfunknetz nach dem Best-Effort-Prinzip überzeugen, das jeder nutzt – es sei denn, eine Network Slicing-Technologie wird eingesetzt, die über ein gemeinsames Netz dieselbe Leistung bietet.

5G-Network Slicing ermöglicht MNOs das Anbieten von virtuellen Netzen über dasselbe physische, von allen verwendete Mobilfunknetz, welches im Fall des obigen Ersthelferbeispiels dieselbe oder eine bessere Netzleistung liefert wie das abgelöste Netz – bezüglich Kapazität, Geschwindigkeit, Latenz und vor allem Verfügbarkeit.

Sollten z. B. durch umgestürzte Funktürme bei einem Hurrikan Teile des Mobilfunknetzes ausfallen, werden die Kommunikationsdienste von Ersthelfern mit einer äußerst hohen Priorität vor allen anderen Services umgeleitet, wenn auch wahrscheinlich zu einem Preisaufschlag. So wird sichergestellt, dass die höchste Netzzugangspriorität den Feuerwehrleuten für die Kommunikation an einem Katastrophenort zugeteilt wird, und die niedrigste Priorität an Personen, die am selben Katastrophenort Selfies aufnehmen. Mit Network Slicing ist eine solche Priorisierung möglich.

Virtualisierung ist der Schlüssel

Um die hohen Investitionen zu rechtfertigen und eine langfristige finanzielle Tragfähigkeit sicherzustellen, müssen 5G-Netze eine Vielzahl von umsatzfördernden Anwendungsfällen unterstützen, die jeweils unterschiedliche Netzserviceleistungen erfordern. Ein Ansatz, der auf Anwendungsfällen basiert, trägt dazu bei, dass das neue 5G-Mobilfunknetz für den MNO hochrentabel ist – warum sonst sollte das Netz überhaupt aufgerüstet werden? 5G-Netze müssen vollständig anpassungsfähig, dynamisch und mit virtualisierten Strukturen programmierbar sein, um diese Ziele zu erreichen. Ermöglicht wird dies durch das Implementieren von Netzabschnitten für die unterstützten Anwendungsfälle mit Leistung nach Maß, die autonom und programmatisch aktiviert wird. Ein vollständig flexibles End-to-End-5G-Mobilfunknetz ermöglicht MNOs das Anbieten eines wesentlich breiteren Spektrums an Kommunikationsservices, die auf vorhandenen, neuen und noch zu erstellenden Anwendungsfällen basieren und neben reiner Konnektivität und Kapazität für innovative und kontinuierliche Umsatzquellen sorgen.

Damit diese Fülle von bereits vorhandenen oder neuen Anwendungsfällen termingerecht und kosteneffektiv adressiert werden kann, werden wahrscheinlich logische (virtualisierte) anstatt herkömmlicher physischer Bausteine als Basis für 5G-Mobilfunknetze dienen. Die Zeit bis zur Marktreife von neuen innovativen Serviceangeboten, die den ersten Abnehmern Vorteile im Wettbewerb ermöglichen, wird dadurch verkürzt. Alle Aspekte, die für eine stärkere Differenzierung von Mobilfunknetzservices sorgen, werden von MNOs sicherlich eingehend geprüft, da mobile Bandbreite bereits heute immer mehr zum Standard wird.

SDN- und NFV-Bausteine

Die zahlreichen Vorteile, die SDN bieten kann, haben letztlich die vollständige Abstraktion der physischen Netzinfrastruktur zur Folge. Dadurch kann das Netzverhalten an die erforderliche garantierte Serviceleistung der einzelnen unterstützten Anwendungsfälle angepasst werden. Netzabschnitte, die speziell auf eine Vielzahl von unterstützten Anwendungsfällen zugeschnitten sind, können mithilfe desselben Pools physischer Netzkomponenten implementiert werden. Dies ermöglicht es MNOs, ein zentrales physisches Netz bereitzustellen, das ein größeres Serviceportfolio unterstützt, um kontinuierliche Umsatzquellen auf eine äußerst wirtschaftliche Art und Weise zu differenzieren, zu erweitern und auszubauen. Infrastrukturen mit einem einzigen Mobilfunknetz, die normalerweise allen Benutzern Services nach dem Best-Effort-Prinzip bieten (was die Anzahl und Art der möglichen und unterstützten Anwendungsfälle erheblich beschränkt), werden bald der Vergangenheit angehören.

Mit NFV können Netzfunktionen ausschließlich über Software bereitgestellt und implementiert werden – es müssen keine physischen Geräte gekauft, ausgeliefert, installiert und in Betrieb genommen werden. Einer der vielversprechendsten Vorteile von NFV ist die Möglichkeit zur Ausführung einer Vielzahl von virtuellen Netzfunktionen (Virtual Network Functions, VNFs) unabhängig vom physischen Standort, d. h. VNFs können für die einzelnen Netzabschnitte in Teilabschnitten größerer Netze bereitgestellt und ausgeführt werden, je nachdem, wo es im Hinblick auf Leistung, Kosten, Zuverlässigkeit, Verfügbarkeit und Sicherheit am sinnvollsten ist.

Sicherheitsbezogene Bedenken und Herausforderungen

5G-Network Slicing gründet auf der gemeinsamen Nutzung derselben zugrunde liegenden physischen Netzinfrastruktur durch eine logische Trennung unterschiedlicher Anwendungsfälle. Dies bedeutet, dass Endbenutzer sich darauf verlassen können müssen, dass ihr Netzdatenverkehr vollständig und sicher isoliert ist; dies gilt insbesondere für einige der neueren Anwendungsfälle, wie das bereits genannte Ersthelferbeispiel. Die Sicherheitsherausforderung betrifft die Auswahl und Implementierung der geeigneten Technologie sowie das erfolgreiche Ausräumen der Bedenken von sehr sicherheitsbewussten Benutzern. Alle Benutzer von der gemeinsamen Verwendung desselben Netzes für alle Anwendungsfälle zu überzeugen stellt zweifelsohne eine Herausforderung für MNOs dar. Diese kann jedoch bewältigt werden, wenn das 5G-Netz gemäß den verschiedenen Anwendungsfällen ordnungsgemäß konzipiert, aufgeteilt und gesichert wird. Das Implementieren einer Netzsicherheitstechnologie ist eine Sache, aber einige Benutzer müssen darüberhinaus davon überzeugt werden, dass ihre Daten während der Übertragung auch wirklich sicher sind. Dies ist möglich, wenn auch mit erheblichen zeitlichen (und finanziellen) Investitionen.

Orchestrierung

MNOs möchten Services zu den geringstmöglichen Kosten bereitstellen, verwalten und anbieten, ohne Abstriche bei der Servicequalität und Kundenfreundlichkeit hinnehmen zu müssen. Dies bedeutet, dass die Verwaltung von 5G-Netzen aus dem Blickwinkel der Servicebereitstellung automatisiert und orchestriert sein muss. Die Orchestrierung von Netzservicekonnektivität in Verbindung mit Daisy Chain-Netzfunktionen erfordert ein durch mehrere Domänen und Anbieter unterstütztes Management. Jeder 5G-Slice liefert die auf den entsprechenden Anwendungsfall zugeschnittene Netzleistung, die über individuelle physische und logische Knoten und eine Reihe von verschiedenen Anbietern bereitgestellt wird. Genau hier kommt das Konzept der Offenheit ins Spiel und verhilft MNOs zu einer schnelleren und einfacheren Implementierung von 5G-Netzwerk-Slices und entsprechenden Netzservices. Offene, standardisierte Softwareschnittstellen in Kombination mit Multi-Domain-Serviceorchestrierung (MDSO) sind Schlüsselfaktoren für den Einsatz von 5G-Netztechnologien und Geschäftsmodellen, die auf Anwendungsfälle ausgerichtet sind.

Die Aufteilung des 5G-Netzwerkkuchens

Erwähnenswert ist, dass das 5G-Konzept der virtuellen Aufteilung von gemeinsam verwendeten physischen Netzressourcen bereits seit Jahrzehnten in Form von virtuellen privaten Netzwerken (VPNs) über paketbasierte LANs und WANs umgesetzt wird.

Aus Alt mach Neu? Nun, das ist nicht ganz richtig.

5G-Network Slicing bringt mit Sicherheit mehr Komplikationen und höhere Herausforderungen mit sich als traditionelle VPNs, da zahlreiche verschiedene Arten von vorhandenen und entstehenden Netztechnologien im Zusammenhang mit Funk- und Festnetzen, RAN, EPC, SDN, NFV, optischen Netzen, kleinen Funkzellen usw. kombiniert werden, die mit sehr viel anspruchsvolleren Anwendungsfällen verbunden sind, von denen viele noch nicht einmal angedacht sind. Unabhängig von den schwierigen technologischen Herausforderungen beim Network Slicing sehen viele darin die beste Rechtfertigung für Investitionen in 5G, da es eine Fülle von vorhandenen und neuen Anwendungsfällen gibt, welche die aktuellen und zukünftigen Investitionen in 5G rechtfertigen.

Literatur: „Understanding 5G - Perspectives on Future Technological Advancements in Mobile“, Dezember 2014 (GSMA Intelligence)